Monday, December 20, 2010

Der Stille Advent


Heute ist Sonntag, ein wahrhaft sonniger Tag, was zur Regenzeit nicht unbedingt selbstverständlich ist. Die Vögel singen ihr Lied, der Mangobaum vor meinem Fenster erstrahlt in der Morgensonne und ein bisschen ferner ertönt der Gesang des sonntäglichen Gottesdienstes. Es scheint, nichts könne dieses Bild trüben, wäre da nicht dieses schlechte Gewissen, das mich seit dem ersten Blick auf meine Uhr quält. Es ist Sonntag, erster Adventssonntag, und ich liege in meinem Bett, während meine lieben Ordensschwestern schon dem Herrn ihren Dienst erweisen und aufgrund der Bedeutung dieses Sonntages, die erste Tageshälfte sogar im Schweigen verbringen. Mein Gewissen schämt sich bei diesem Gedanken noch ein bisschen mehr, was dazu führt, dass ich für mich eine Ausrede brauche: OK, ich bin in Uganda, aber ich bin Deutsche. In Uganda geht man sonntags zur Kirche, in Deutschland nicht unbedingt. Für die Ordensschwestern ist der sonntägliche Gottesdienst höchst bedeutsam, für mich nicht. Mein Gewissen erholt sich ein wenig. Dennoch bleibt ein bisschen der Beigeschmack, die Bedürfnisse meiner Umgebung nicht gebührend zu achten.
Und während ich immer noch in meinem Bett liege, überlege ich, was ich denn an diesem ersten Adventssonntag brauche, damit es für mich Advent wird. Zuerst einmal ein Bad für das generelle Wohlbefinden. Ich schnappe mir also meine Waschschüssel, den Waschlappen und ein Stück Seife, schlürfe zum Badezimmer und gieße mir kaltes Wasser aus einem der gelben Kanister, die dort stehen, in meine blaue Waschschüssel. Natürlich haben wir auch Leitungswasser, aber das ist morgens noch kälter als das aus den Kanistern und außerdem habe ich keine Lust noch 20 Minuten länger zu warten, dass sich meine Waschschüssel fülle.
Doch was brauche ich nun, um mich weihnachtlich zu fühlen? Ein Räucherkerzchen und das Bach’sche Weihnachtsoratorium. Und während ich in meinem kleinen Weihnachtspäckchen nach den Räucherkerzen suche, dröhnt „Jauchzet frohlocket“ in voller Lautstärke durch die leeren Zimmer des Konvents und ich und mein Gewissen freuen sich jetzt hier zu sein, mit Bach und dem erzgebirgischen Weihnachtsduft. Und eine Weile lang genieße ich den heimatlichen Advent im fernen Afrika.
Um aber den ugandischen Sonntag nicht zu boykottieren, ziehe ich mein Festkleid an, schmücke mich mit Ohrringen und gehe zum Frühstück. Und merke, dass dies eine gute Entscheidung war, beim Anblick meiner festlich in weiß gekleideten und immer noch schweigenden Ordensschwestern.

Uganda ist inzwischen ein zu Hause geworden. Es scheint mir, ich wäre zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und das nicht nur um dem deutschen Winter zu entkommen. Wenn ich jetzt zurück denke und mir bewusst mache, dass ich eigentlich erst ein bisschen mehr als 2 Monate hier bin, dann bin ich immer sehr verwundert wie sehr ich mich schon angepasst habe.
Jetzt entscheidet ein Blick zum Himmel ob ich heute Wäsche wasche. Meine Arbeitszeit verschiebt sich oft auf Sonntag oder die Nacht, weil es an Werktagen nur nachts Strom gibt. Aus selbigem Grund spiele ich zwischen 19 und 20 Uhr meistens Gitarre, weil man das auch gut im Kerzenschein machen kann. Um eine gute Internetverbindung zu haben, nehme ich auch schon mal 90 Minuten Fahrtzeit in kauf und Nutella ist zum Inhalt meiner Träume geworden. Und das eigentlich interessante ist, dass das alles schon Alltag ist.
Die Sachen mit denen ich mich bewusst beschäftige sind andere. Als Protestantin in einem katholischen Konvent drängen sich ständig Glaubensfragen auf. Was macht man eigentlich mit einem Rosenkranz? Kann ich es aushalten aufzufallen, weil ich mich nicht bekreuzige? Und das sonntägliche Abendmahl? Der Glaube ist hier so fester Bestandteil des Lebens, wie in Deutschland das Internet. Nicht nur in meinem Konvent, auch überall auf der Straße begegne ich IHM. „God is good“ steht auf einem LKW. „God bless you!“ Auf einem anderen. Die Ankunft des Herrn, wird mir zum ersten mal nicht von der Werbeindustrie suggeriert, die Pfefferkuchen perfekt im Laden platziert, damit ich auch wirklich nicht daran vorbei gehen kann. Kein „Last Christmas“ ist zu hören, keine Geschenke zu besorgen und trotzdem spüre ich, dass Heilig Abend nicht weit ist. Es liegt einfach in der Luft.
Das größte Geschenk dieses Weihnachten ist für mich hier in Uganda sein zu können. In vielerlei Hinsicht ist es ein Schlaraffenland. Da ist zum einen diese tolle Natur, die Möglichkeit diese Kultur kennen zu lernen, die so verschieden ist und darin einzutauchen. Und zum anderen die Möglichkeit für mich zu wachsen. Die Zeit und die Möglichkeiten zu haben, jeden Tag neu und selbst zu entscheiden, was ich tun möchte und was für mich wichtig ist. Das ist Reichtum.

Merry Christmas!

Wednesday, December 8, 2010

Die Nilquelle in Jinja

Lang gabs keine Neuigkeiten von mir, was einfach daran lag, dass hier in Ibanda nicht so viel passiert worüber es zu berichten lohnt. Nicht dass es langweilig wäre, aber die Ereignisse hier sind eher für 4-Augen-Gespräche geeignet, als für einen Blogg. Mal abgesehen von dem ständigen Auf und Ab, dass einen über so ein Jahr hinweg üblicherweise begleitet, hat sich mein Gemütszustand auf einem ziemlich hohen Niveau eingepegelt, worüber ich sehr überrascht bin. Also kurz gesagt, mir geht es prima und ich bin sehr froh hier sein zu können in diesem tollen Land. :-)

Die letzte Woche haben Anne und ich in Kampala verbracht, da wir einen befreundetet Priester zum Flughafen nach Kampala begleitet haben und ich mein Visum verlängern musste. Der Priester ist inzwischen gut in Deutschland gelandet, allerdings konnte ich mein Visum noch nicht verlängern, da es ja noch nicht abgelaufen war. Na klar, logisch! Das heißt also: im Januar muss ich wieder nach Kampala.

Weil jeden ersten Montag im Monat in Kampala Deutschentreffen ist, haben wir gleich die Gelegenheit genutzt und sind noch länger geblieben. Die Zeit in Kampala kam uns dann aber doch ein bisschen zu lang vor, weil Kampala auch nicht wirklich schön ist und so haben wir uns überlegt, dass wir ja mal nach Jinja zur Quelle des Nils fahren könnten, was ca. 1,5h von Kampala entfernt liegt. Durch einen riesigen Zufall (oder für die, die nicht an Zufälle glauben: durch einen perfekt platzierten Schnittpunkt zweier Notwendigkeiten) haben wir in Kampala Father Martin aus Kanada getroffen, den wir schon vor ca. 2 Monaten in Mbarara kennenlernen durften und der von unserer Idee nach Jinja zu kommen (er wohnt und lehrt dort im Priesterseminar), hellauf begeistert war. Also fuhren wir am Samstag nach Jinja und ich hatte meinen ersten kleinen und sehr gelungenen Urlaub in Uganda :-)
Nach einer ersten Feuerprobe, einen Bus nach Jinja zu finden, wovon ich völlig entnervt war, in Anbetracht dieses menschlichen Ameisenhaufens namens Taxipark, hatten wir dann noch eine wirklich sehr angenehme fahrt nach Jinja, ganz ohne überfülltes Matatu. So konnte der Urlaub dann doch beginnen.
Fr Martin stellte sich als unglaublich toller Gastgeber heraus und wir sind noch immer mehr als beeindruckt und dankbar.
Gleich am Samstag besuchten wir die Bujagali Falls, eine wunderschöne Folge von Stromschnellen unweit der Nilquelle. Durch den Bau des Bujagali-Staudamms wird dieses Gebiet leider in 2 Jahren geflutet sein. Wer also bis dahin nicht mehr nach Uganda kommt, der kann zumindest jetzt hier sehen, was er verpasst. ;-):


Fr Martin und ich

Anne, Fr Martin, ich










Am Sonntag haben wir die Nilquelle besucht und hatten noch einen Begleiter mehr, Roland, ein Priester aus dem Kongo:



Anne, Fr Roland, ich, Fr Martin

der Nullpunkt des Nils (von hier 6400km bis ins Mittelmeer)





Wer sich zum Schluss wundert, warum Ich plötzlich so anders aussehe: Ich war beim Frisör und was ich jetzt auf dem Kopf trage ist die 3,5-stündige Arbeit von 5-6 fleißigen Flechterinnen. Und wer das auch mal haben will, dem sein gesagt: AUA!

Ich wünsche euch allen eine besinnliche Adventszeit!