Monday, March 5, 2012

Die Rettung naht...

Wir üben ... wie mit den Tragen?
Zum letzten Weihnachtsfest hat mir das Christkind zwei Ambulanzen geschenkt. Lang hatte ich drauf gewartet und so hielt sich die Vorfreude kaum noch in Grenzen, endlich mit dem Aufbau des Rettungssystems zu beginnen.
So bin ich also Anfang Januar wieder nach Ibanda umgezogen. Mein altes Haus stand noch für mich bereit und auch meine Teller noch im Schrank und so sollte es beginnen.

Im Vorfeld habe ich mir einige Gedanken machen müssen.
Mein größtes Problem war, dass ich kaum Berufserfahrung habe, der Sprache nicht mächtig bin und mich schlecht mit pädiatrischen Notfällen bzw. Malaria auskenne.
Das größte Problem des Chefarztes war, dass die Patienten wahrscheinlich nicht zahlen würden.

Es mussten also Lösungen her. Die erste Lösung war recht einfach. Da ich eigentlich ein Ambulanz-Team schulen sollte, fand ich es sinnvoll mir ein Team zusammen zu stellen, mit dem ich gemeinsam die Notfälle herausarbeiten kann. Das bedeutete also ich brauchte einen Anästhesisten (hier machen das speziell geschulte Krankenpfleger), eine Krankenschwester, die sich mit allem gut auskennt und ganz wichtig, eine Hebamme. Dr. Emmanuel Byaruhanga (Chefarzt) hat sich dieser Aufgabe sehr angenommen und mir wirklich ein phantastisches Team zusammen gestellt. Nun sind die Aufgaben klar verteilt, mein überdurchschnittlich qualifiziertes Fachpersonal übernimmt die Patientenbetreuung, ich übernehme den Kampf mit den Straßen (oder eher Pisten?) falls Francis unser Fahrer und viertes Team-Mitglied im Krankenhaus eingespannt ist. Und natürlich bin ich für alle administrativen Dinge zuständig. Nennt mich also Leiter Rettungsdienst. ;-)

Sicherheit geht alle an!
Das nächste Problem wollten wir durch größtmögliche Transparenz minimieren. So haben wir also den Verbrauch des RTWs ausgerechnet und sind anschließend zu allen umliegenden Health Centern gefahren um die frohe Botschaft es Rettungsdienstes zu verkünden und gleichzeitig auch auf die Kosten hinzuweisen. Bei diesen Besuchen haben wir immer wieder gemerkt, dass unsere Preise vergleichsweise sehr günstig sind, was sich auch darin gezeigt hat, dass wir seit Beginn fast täglich einen Einsatz haben und es, bis auf eine Ausnahme, nie Probleme mit der Bezahlung gab. Ich persönlich finde das sehr beachtlich, denn die Benzinkosten, die durchaus auch mal 20€ übersteigen können, sind für einige schon eine große finanzielle Belastung. Umso mehr freut es uns, dass die Ambulanz so viel positive Resonanz erfährt.

Nun ist unser größtes Problem, einen Fahrer zu haben, der nur für die Ambulanz da sein kann. Francis ist doch sehr in die Krankenhausaktivitäten eingespannt und nur zu 50% erreichbar. Die anderen 50% übernehme ich und hoffe immer, dass mir jemand bescheid sagt, wenn der Fahrer weg ist, aber dieser Traum soll noch nicht ganz in Erfüllung gehen, so dass die letzten 2 Wochen, wo ich nicht da war, leider diese 50% nicht erreicht werden konnten. Glücklicherweise ist man es hier gewohnt, dass man sich nie 100%ig auf etwas verlassen kann, so dass wir keine Klagen am Hals haben und die Menschen fähig sind sich größtenteils selbst zu helfen.

Komisches Gefühl als Patient!
Unser Rettungsdienst sieht also bis jetzt folgendermaßen aus. Unser Einzugsbereich ist der gesamte District Ibanda und Teils auch angrenzende Districts, die üblicherweise in unser Krankenhaus verlegen. Dh. die Anfahrtswege können bis zu 60km weit sein und bei der Straßenbeschaffenheit auch mal 2-2,5h dauern.

Im Moment sind die meisten unserer Patienten Mütter, die in ihrem Health Center entbinden wollen, es aber zu Komplikationen gekommen ist bzw. Komplikationen sehr wahrscheinlich sind. Ibanda Hospital ist in diesem Umkreis das einzige Krankenhaus in dem Kaiserschnitte möglich sind. Wir fahren also immer unter Entbindungsbereitschaft, aber bis jetzt haben es alle ins KH geschafft.
So haben wir zum Beispiel neulich eine Mutter aus einem HC entführt, wegen der wir eigentlich nicht gerufen wurden, die allerdings sehr schlecht aussah. Es stellte sich heraus, dass es die neunte Schwangerschaft war, das Baby wirkte riesig, die Geburt hatte sich schon ziemlich hingezogen, die Mutter war HIV-positiv und das HC hatte noch nicht mal ein Blutdruckmessgerät. Sie hat dann 10min nachdem wir im KH angekommen waren spontan entbunden und Mutter und Kind sind wohl auf. Wäre es dort allerdings zu Komplikationen gekommen, wären Kind oder Mutter und Kind nicht mehr am Leben.
Die andere Patientengruppe sind Säuglinge bzw. Kleinkinder mit Malaria und daraus resultierender Anämie, die Atemnot haben. Oft gibt es in den größeren Health Centern kein Blut, bzw. halten die kleineren HC kein Blut vor, so dass diese Kinder zu uns verlegt werden.

Hebamme Jane gegen den Staub gewappnet
Wir haben eine eigene Notfall-Nummer und das Nofall-Handy und die Autoschlüssel hat immer der Dienst habende Rettungsmedizinmann, der oder die dann den Fahrer informiert, und fragt, ob die Hebamme auch mitkommen will, denn sie ist bei unseren Notfällen meistens die Frau der Stunde. Bis wir losfahren dauert es ungefähr 15min. Das ist eigentlich eine gut Zeit, bedenke man, dass wir nicht in einer Wache sitzen und nur die Schuhe zumachen müssen, sondern von unseren Häusern ins Krankenhaus kommen müssen.
Der größte Zeitgewinn liegt meistens Abends, wenn OP und Labor geschlossen sind, dann können wir nämlich schon vom Ort des Geschehens anrufen und die OP-Vorbereitungen einleiten lassen bzw. das Labor wecken.

Jetzt arbeiten wir daran uns auch traumatologisch weiterzubilden und wollen mit der Verkehrspolizei zusammenarbeiten, so dass wir bei Unfällen informiert werden. Außerdem wollen wir versuchen das System auch in den Dörfern zu etablieren und nicht nur an HC angebunden sein. Denn die meisten Mütter die sterben, versuchen tagelang in den Dörfern zu entbinden und erst wenn es ihnen richtig schlecht geht, weil der Uterus rupturiert ist, denkt jemand daran sie ins KH zu bringen, wo ihnen auch nicht mehr geholfen werden kann...

Es liegt also noch ein großes Stück Weg vor uns, aber wir sind hoch motiviert, die Arbeit macht Spaß und wir verzeichnen Erfolge, so dass wir optimistisch nach vorn blicken. :-)

Bis bald!

1 comment:

  1. Vielen Dank! Ich bin sehr beeindruckt. Annett, deine/eure Schritte sind riesen groß! Wir haben erst vor ein Paar Wochen telefoniert und jetzt funktioniert das System schon und der Krankenwagen ist unterwegs. Wow. Und du hast schon wieder Pläne wie es weiter gehen soll. Wahnsinn! Ich wünsch euch viel Energie! Und behaltet euren Optimismus!

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